Über die Evolution der Moral
+ Mesa-Optimierung, und was wir von Maschinen über unser Innerstes lernen können
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor.
Wer den Menschen verstehen möchte, wirklich verstehen möchte, der sollte sich nicht mit Philosophie beschäftigen, sondern mit Biologie. Und am besten nicht der Biologie des Menschen, sondern dem Tierreich.
Denn wir befinden sich in der einzigartigen Position, ein System von innen heraus verstehen zu wollen. Doch übersehen wir dabei häufig, wie sehr unsere eigene Perspektive unser Weltbild und unsere Wahrnehmungen formt. Wir sind kein Gott, der von außen auf seine Schöpfung guckt, sondern Teil dieser Schöpfung selbst. Und nur, wenn wir lernen, diese Limitation zu verstehen, können wir wirklich in die tiefen Fragen der Welt vordringen.
Die Frage, was gut, und was schlecht sei, ist so alt wie die Menschheit selber. Aber mir scheint es, als würden die meisten, die sich dieser Frage stellen, die Rolle verkennen, die ihr eigener Körper in der Wahrnehmung dieser Konstrukte spielt.
Kapitel 1: Moral im Tierreich
Oft nehmen wir implizit an, dass nur Menschen moralische Wesen seien, weil Tieren die kognitive Kapazität für moralisches Denken fehlen würde. Gleichzeitig sind wir bereit, Kindern moralisches Verhalten zuzugestehen. Allgemein scheint Moral in Menschen unabhängig von der Intelligenz des Individuums zu sein. Sind klügere Menschen wirklich die besseren Menschen? Es ist wahr, dass intelligentere Menschen eine stärkere Kontrolle über ihr eigenes Verhalten haben, aber bedeutet das, dass sie unmoralische Verhaltensweisen unterlassen, weil sie die Konsequenzen für ihr eigenes Leben besser abschätzen können, oder weil sie tatsächlich moralischer sind?
Diese Frage kann nur in Extremsituationen beantwortet werden, und die Geschichte zeigt, dass viele der grausamsten Monster eben deswegen derartig grausam sein konnten, weil sie die Intelligenz besaßen, ihre Grausamkeit effektiv auszuleben.
Es ist möglich, dass es eine gewisse Intelligenzschwelle für moralisches Verhalten gibt. Zumindest scheint es logisch, dass die Fähigkeit, sich in andere Lebewesen hineinzuversetzen, die eigenen Handlungen zu planen und die eigenen Handlungen zu kontrollieren gegeben sein muss. Aber diese sind in vielen Tierarten vorhanden.
Ich argumentiere nicht, dass Tiere in derselben Weise ihr Verhalten kontrollieren, wie es Menschen tun, und für ihr Verhalten verantwortlich gemacht werden sollten, als seien sie Menschen. Viel mehr finde ich den Vergleich zu Kindern passend, die zwar moralische Subjekte sind, da sie moralische Emotionen wie Empathie, Mitgefühl, Toleranz und Geduld, bzw. deren Gegenspieler Wut, Schadenfreude, Bosheit usw. fühlen können, aber keine moralischen Akteure, da ihnen metakognitive Fähigkeiten, zumindest im Vergleich zu Erwachsenen, zur Beurteilung und Kontrolle des eigenen Verhaltens fehlen.
Wir nehmen an, dass Kleinkinder sich moralisch verhalten können, insb. weil wir Verhalten sehen, dass moralisches Verhalten simuliert. Wir sollten also an Tiere dieselben Maßstäbe für moralisches Verhalten anlegen. Es ist richtig, dass wir uns nicht wirklich in den Schädel eines Tiers hineinversetzen können. Gleichzeitig zeigt das Konzept des philosophischen Zombies aber, dass wir auch bei anderen Menschen nicht sicher sein können, inwiefern Verhalten bewusst geplant, und inwiefern Verhalten “instinktiv“ ist.
Das einzige Kriterium, mit dem wir das Bewusstsein eines anderen Lebewesens verstehen können, ist das Verhalten dieses Lebewesens. Dies gilt für Tiere und Menschen.
Natürlich reproduzieren wir durch den Fokus auf menschenähnlichen Verhaltens ein anthropozentrisches Bild von Moral. Dennoch denke ich, dass es nützlich ist, um die Frage der Existenz von Moral im Tierreich im Allgemeinen zu klären, und dann weiterzuerforschen, welche Tiere ein solches Verhalten zeigen, und warum.
Altruistisches Verhalten, bei dem die Handlung für das Tier selber entweder nicht direkt von Vorteil ist, oder sogar aktiv schadet, konnte schon in den 1960ern in Ratten, Tauben und verschiedenen Primaten nachgewiesen werden.
Verschiedene Primaten, Raben, Elefanten, Hundearten und Präriewühlmäuse scheinen Empathie gegenüber leidenden Artgenossen zu zeigen.
Und sogar höhere Emotionen wie Fairness lassen sich unter Ratten, Hunden und verschiedenen Affen finden.
In einer anderen Studie weigerten sich hungrige Rhesus Affen, anderen Affen durch den Druck eines Knopfes einen elektrischen Schock zu verpassen, selbst wenn sie dafür eine Belohnung erhielten. (an dieser Stelle sei noch einmal auf das Milgram-Experiment verwiesen).
Elefanten sind berühmt dafür, um verstorbene Familienmitglieder zu “trauern“. Dazu gehört das Berühren toter Artgenossen, die wiederholte Annäherung und Untersuchung der Toten.
Shifra Goldberg vom Smithonian Conservation Biology Institute schreibt dazu:
“Die Elefanten zeigen dabei dieses Interesse an den Toten unabhängig davon, wie eng ihre Beziehung zu Lebzeiten mit dem Artgenossen war“
Ob ein solches Verhalten wirklich Trauer darstellt, ist natürlich schwierig zu beurteilen. Es ist leicht, das Verhalten von Tieren zu anthropomorphisieren. Hirnscans von “trauernden“ Elefanten zeigten eine erhöhte Aktivität in den Schläfendrüsen. Zusammen mit dem beobachtbaren Verhalten deutet dies also zumindest auf ein reales Trauerphänomen in Elefanten hin.
Wichtig ist jedoch, Tiere nicht zu einseitig darzustellen. Weder als vollständig menschlich, noch als uns völlig fremd.
Viele Tiere, inklusive sehr intelligenten Tieren, wie Delfinen, töten die Jungen von Weibchen um sich selber fortzupflanzen, Robben “vergewaltigen“ Pinguine, afrikanische Wildhunde essen ihre Beute lebendig, Hyänen töten Rinder, indem sie ihre Genitalien beißen bis sie verbluten.
Die Natur kann sehr brutal sein!
Ich habe gerade diese Tiere ausgesucht, um zu zeigen, dass Intelligenz nicht der alleinige, oder zumindest nicht der ausschlaggebende Faktor für moralisches und “grausames“ Verhalten darstellt.
Es gibt hochintelligente Tiere, Oktopusse zum Beispiel, die kaum moralisches Verhalten zeigen. Entscheidend dafür, ob Tiere moralisches Verhalten zeigen, oder nicht, ist, ob sie selber in ihrem natürlichen Umfeld in komplexen Gruppenstrukturen leben, oder normalerweise Einzelgänger sind.
Ganz besonders interessant in diesem Kontext sind eusoziale Tiere, das heißt insbesondere Ameisen und Bienen.
Beide Tiere sind, als kleine Insekten, nicht sonderlich intelligent. Und dennoch zeigen beide Verhalten, welches in Säugetieren als eindeutig moralisch interpretiert werden würde.
Etwa, wenn Feuerameisen ihr eigenes Leben opfern, um gemeinsam “Flöße“ zu bilden, sodass die ganze Kolonie ein Gewässer überqueren kann.
Wenn wir Moral als diejenigen Instinkte definieren, welche individuell vorteilhaftes Verhalten einschränken, bzw. individuell schadhaftes Verhalten vorschreiben, wenn dadurch für einen anderen Organismus ein Vorteil entsteht, dann handelt kein anderes Leben annähernd so “moralisch“ wie eine Ameise in ihrer Kolonie.
Aber wieso ausgerechnet Ameisen? Ich habe ja bereits den Begriff eusozial erwähnt. Bei eusozialen Lebewesen arbeiten sterile Individuen für den reproduktiven Erfolg von anderen (reproductive altruism).
Nach William D. Hamilton hat sich Eusozialität evolutionär dadurch entwickelt, dass in vielen Insekten bzw. Hautflüglern, Männchen aus unbefruchteten Eiern entstehen. Dadurch tragen Männchen nur ein paar der Chromosome (Sie sind haploid). Weibchen hingegen entstehen aus befruchteten Eiern (diploid). Wenn mehrere Eier von demselben Männchen befruchtet wurden, teilen sich “Schwestern“ im Schnitt 75% ihrer Gene. Mütter hingegen teilen nur 50% der eigenen Gene. Dadurch ist es für die Schwestern evolutionär sinnvoller, ihrer Mutter dabei zu helfen, mehr Schwestern zu zeugen, als selber Kinder zu bekommen.
Dies zeigt dann auch den eigentlichen Ursprung unser moralischen Instinkte. So wie wir den Trieb haben, Zucker zu essen, weil dieser in unserem evolutionären Umfeld die eigene evolutionäre Fitness erhöht hat, zeigen wir moralisches Verhalten, weil die Vorfahren, die moralisches Verhalten gezeigt haben, sich häufiger fortgepflanzt haben.
Moral sind jene Instinkte, welche individuell vorteilhaftes Verhalten einschränken, bzw. individuell schadhaftes Verhalten vorschreiben, wenn dadurch für den Erbfaktor Gen ein Vorteil entsteht. Es sind also jene Instinkte, welche die Interessen von “egoistischen Genen“ über die Interessen von Individuen stellen.
Ein Mann, der seine Familie vor dem Höhlenbären verteidigt und dadurch sein eigenes Leben verliert, hat dadurch offensichtlich einen individuellen Nachteil, aber da er seine Gene zu Urzeitbedingungen sowohl mit seinen Kindern, wie auch der erweiterten Familie bzw. dem Stamm im Allgemeinen teilt, ist ein solches Opfer aus Sicht des einzelnen Gens vorteilhaft.
Kapitel 2: Antisoziale Menschen und Psychopathie
Wie aber lässt sich aus einer solchen Sicht (insb. im Hinblick auf die eigentlich “objektive“ Moral im Vergleich zur subjektiven Ethik) die Existenz von Psychopathen und Antisozialem Verhalten im Allgemeinen erklären?
Psychopathie ist eine Konsequenz von Komplexität innerhalb von Gruppen. In einer sehr kleinen Gruppe bringt psychopathisches Verhalten Nachteile für die Kompetitivität der Gruppe im Vergleich zu anderen Gruppen mit sich. Solche Gruppen setzen sich also im Vergleich zu anderen Gruppen nicht durch, wodurch auch individuelle Gene nicht weitergegeben werden.
Damit psychopathisches Verhalten positiv selektiert wird, wird ein gewisser genetischer Abstand zwischen Individuen innerhalb der Gruppe benötigt. Die Einbußen in der Fitness der Gruppe müssen, im Schnitt, durch den Gewinn an Fitness des Individuums, und dessen Genen ausgeglichen werden.
Hier entsteht dann ein natürliches Gleichgewicht.
Verhalten sich zu viele Personen antisozial und egoistisch, verliert die Gruppe an Fitness, und auch die Fitness des Individuums wird dadurch gesenkt. Existieren kaum Psychopathen, das heißt, verhielten sich alle Menschen vollständig sozial, steigert dies die Fitness des Individuums, ohne das der Schaden der Gruppe derartig stark wäre, dass es das Individuum selbst betreffen würde.
Man denke an eine Person wie Homer Simpson. Die Moralität von Flanders sorgt bei diesem offensichtlich für finanzielle Schäden. Homer profitiert von dieser Beziehung. In einem Zustand, in dem alle Menschen sich wie Flanders verhalten, wäre es für das Individuum also vorteilhaft, antisoziales Verhalten zu entwickeln, wodurch der Zustand ohne Psychopathen metastabil ist.
Gleichzeitig würde eine Gesellschaft, die nur aus Homern bestünde, offensichtlich nicht lange überleben können. Ein klassisches Gefangenendilemma.
Wichtig ist in dieser Diskussion weiterhin, dass meine Darstellung von Psychopathen als rein negativ für die Fitness der Gruppe natürlich stark vereinfacht ist.
Gerade im Kriegsfall, aber auch allgemein in Führungspositionen, kann es durchaus nützlich sein, amoralisch denken zu können. Es ist kein Zufall, dass Psychopathen überproportional häufig CEOs sind. Es ist durchaus möglich, dass sogar nur diese Menschen imstande seien können, eine solche Position auszuüben, weil mit einem solchen Beruf jeden Tag Entscheidungen einhergehen, die eine “normale” Person nicht treffen könnte.
Denn was gut für die Firma ist, oder die Nation, oder das Dorf, das ist oft für viele Individuen sehr schadhaft. Niemand feuert gerne Menschen, niemand erklärt gerne Krieg, oder schickt junge Männer in ihren Tod.
Kapitel 3: Moral Foundations
“Moral systems are interlocking sets of values, virtues, norms, practices, identities, institutions, technologies, and evolved psychological mechanisms that work together to suppress or regulate selfishness and make cooperative social life possible”
Es ist richtig, dass es große Differenzen zwischen den ethischen Systemen verschiedener Kulturen gibt, aber laut Jonathan Haidt stecken hinter diesen Differenzen gewisse Muster, die uns Hinweise über die Fundamente unseres moralischen Denkens geben.
So wie manche Menschen Erdbeeren mögen, und andere nicht, aber niemand gerne Steine isst, ist auch Moral zugleich objektiv und individuell verschieden.
Vertreter der Moral Foundations (moralische Grundlagen) Theorie sagen, dass jeder Mensch über eine “intuitive Moral” verfügt, eine innere Stimme, die Zustimmung oder Ablehnung gegenüber bestimmten menschlichen Verhaltensmustern äußert.
Haidt definiert Fünf Muster in der Moral der Völker, die er studiert hat.
Fürsorge - der Instinkt, andere zu schützen
Fairness - der Instinkt, Betrug zu bestrafen
Loyalität - der Instinkt, sich mit seiner Gruppe verbunden zu fühlen
Autorität - der Instinkt, soziale Hierarchien zu respektieren
Reinheit - Ekel vor abstoßenden Dingen
Haidt behauptet, dass diese fünf Muster auf universelle Instinkte unserer Vorfahren zurückzuführen sind, als Antwort auf die Herausforderungen in einer prähistorischen Umgebung.
Jeder Mensch hat eine Mischung all dieser Instinkte, mit einer unterschiedlichen Ausbildung, abhängig von sowohl der eigenen Genetik, wie auch kulturellen Faktoren, unserer Persönlichkeit, Umgebung und den individuellen Erfahrungen.
Kapitel 4: Präzision und Effizienz
Im Folgenden sehen Sie Zipfs Gesetz, angewandt auf Charles Darwins “Über die Entstehung der Arten“.
Zipfs Gesetz sagt, dass in einer nach der Häufigkeit der einzelnen Elemente geordneten Menge, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Elements umgekehrt proportional zu dessen Rang n in der Häufigkeitsliste ist.
Mit anderen Worten: p(n)~ 1/n
Diese Gesetzmäßigkeit findet sich nicht nur in der Linguistik, sondern in vielen, unabhängig scheinenden Bereichen. Etwa der Masse von Sternen in der Milchstraße, oder der Größe von Städten in einem Land.
Zipf erklärt seine Erkentnis damit, dass es in Sprachen einen Konflikt zwischen Präzision und Umständlichkeit gibt. Es ist schwierig, eine Sprache zu lernen. Auch wenn man daher an Präzision einbüßt, ist es also praktisch, eine möglichst kleine Anzahl von Wörtern zu haben. Wir sagen im normalen Sprachgebrauch Blau, und nicht Aquamarin, weil weitere Informationen in der Regel nicht notwendig sind. Wir unterscheiden nicht zwischen Holzstühlen, Stühlen mit Metallbeinen, Stühlen mit und ohne Polster, sondern nennen sie alle “Stuhl“. Eben weil eine Sprache nur dann sinnvoll ist, wenn sie auch praktische Verwendung finden kann.
Gleichzeitig verliert eine zu stark eingeengte Sprache an Präzision. Würden wir nur ein Wort benutzen, wäre die Sprache extrem Effizient, aber maximal unpräzise und damit nutzlos.
Dadurch stellt sich ein Gleichgewicht ein, mit vielen seltenen (und oft langen) Wörtern, und wenigen (kurzen) Wörtern, die sehr häufig verwendet werden. “Das”, “und”, “aber” sind kurze Wörter, weil sie häufig verwendet werden, und es sich daher lohnt, sie abzukürzen. Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitäns- witwe hingegen… ;)
Warum nun dieser Exkurs in einem Essay über die evolutionären Ursprünge der Moral?
Ich vermute, dass viele Leser sich während dem Studieren von Kapitel 1 und 2 gefragt haben, inwiefern Moral wirklich aus der Genetik resultieren kann. Schließlich empfinden wir moralische Gefühle nicht nur bei Menschen, die uns genetisch ähnlich sind, ja, nicht einmal nur bei Menschen.
Ich bin definitiv kein Freund davon, zu sehen wie Hundewelpen getötet werden. Aber warum? Sie sind genetisch nicht übermäßig nah mit mir verwandt (zumindest nicht näher als andere Tiere, deren Tod mir egal ist), und ihre Existenz hat, anders als für unsere Vorfahren mit Arbeitshunden, keine direkten evolutionären Vorteile.
Unsere moralischen Gefühle sind verallgemeinert, und gelten nicht nur für unsere Familie, nicht einmal nur unsere Spezies, weil dies evolutionär nicht notwendig war.
Ihre Vorfahren haben kaum mit Menschen außerhalb der eigenen Familie interagiert. Sie hatten also nahezu immer eine große genetische Nähe zu fremden Kindern. Natürlich könnten sie mehr Energie dafür aufbringen, die Kategorie “Baby“ weiter zu spezifizieren. Das heißt, anstatt ein paar allgemeiner Eigenschaften, wie einem großen Kopf, großen Augen, die auf unsere Babys, aber auch auf die anderer Tiere, oder anderer Eltern, zutreffen, könnte man die Kategorie präziser definieren.
Aber evolutionär ist das einfach nicht notwendig und wird deswegen auch nicht gemacht. Die Natur ist faul.
Der schwedische Forscher Lars Wilsson hat herausgefunden, dass in Bibern das Geräusch von laufendem Wasser ausreicht, um sie dazu zu bringen, einen Damm über dem Lautsprecher zu bauen. Natürlich ist das kein sinnvolles Verhalten, und natürlich könnte die Natur dafür selektieren, dass Biber nur dann einen Damm bauen, wenn sie laufendes Wasser hören, UND auch wirklich laufendes Wasser da ist. Aber das ist in der Natur nicht notwendig.
Gänse legen oft Golfbälle in ihre Nester und versuchen sie auszubrüten. Tatsächlich bevorzugen sie teilweise sogar die Golfbälle gegenüber ihren eigenen Eiern. Golfbälle sind sogenannte “supernormale Stimuli“ (also Stimuli, die “besser als echt“ sind. Beim Menschen wäre ein mögliches Beispiel die Onlinepornographie, mit Models, mit denen man realistisch in echt nie schlafen könnte). Ist das sinnvolles Verhalten? Nein, aber da es in der Natur keine perfekten weißen Kugeln gibt, reicht eine unpräzise Definition von “weiß und ungefähr rund” für Gänseei.
Eine genauere interne Definition ist nicht notwendig, und hat keinen evolutionären Vorteil. Und die Natur ist faul. Jede Information, nach der nicht aktiv selektiert wird, wird durch die Entropie vernichtet.
Es ist also nicht notwendig, die moralischen Instinkte im Menschen stark einzugrenzen, da es in den meisten Situationen dasselbe Verhalten hervorbringt, aber mit evolutionären Kosten verbunden wäre. Das Gehirn ist metabolisch teuer, und verbraucht im Ruhezustand etwa 20% der Energie, die wir verstoffwechseln.
Kapitel 5: Mesa Optimierer
In dem Essay Pythia Unbound erweitert Nick Land Nick Bostroms “Pythia“ Konzept auf den Menschen, indem er den Menschen selbst als Bestärktes Lernen Algorithmus versteht.
Pythia, besser bekannt als das Orakel von Delphi, war eine Priesterin des Apollo in der griechischen Mythologie, die mit kryptischen Versen die Weisheit des Gottes mit Pilgern teilte. Bostrom benutzt die Metapher der digitalen Pythia als Bild für eine hypothetische künstliche Intelligenz, eine Art intelligentes Wikipedia. Pythia ist ein Bestärktes Lernen Algorithmus.
Jedes Mal, wenn Pythia ein Problem für uns löst, drücken wir einen Knopf als “Belohnung“, und Pythia probiert, die Anzahl der Knopf-Drücke über die gesamte Zukunft zu maximieren.
Pythia ist ein sogenannter “Mesa-Optimierer“. Mesa ist das Gegenteil von meta. So wie ein “metagame“ die Gesamtmenge von Spielen ist, ist die Mesa Ebene eine “tiefere“ Ebene. In diesem Fall optimieren wir die KI so, dass sie sich so verhält, dass der Knopf so oft wie möglich gedrückt wird. Und der Knopf wird immer dann gedrückt, wenn sich die KI so verhält, wie wir es wollen.
Das Modell besteht also aus drei Ebenen, bzw. zwei Optimierungsproblemen:
KI → Knopf → unsere Ziele
Eine Strategie ist, offensichtlich, Probleme für die Menschen zu lösen, sodass diese auf den Knopf drücken. Aber ist es die einzige Lösung?
You could see it pursuing this very rapid technology proliferation, where it sets itself up for an eternity of fully maximised button presses. You would have this thing that behaves really well, until it has enough power to create a thechnology that gives it a decisive advantage - and then it would take that advantage and start doing what it wants to in the world.
Die KI versucht, die Anzahl der Knopfdrücke zu maximieren, nicht die Anzahl der gelösten Probleme selber. Das heißt, sollte die KI die Möglichkeit erlangen, den Knopf zu drücken, ohne ein Problem lösen zu müssen, wird sie es tun. Ein solches Problem wird als “alignment problem“, also zu Deutsch “Ausrichtungsproblem“ bezeichnet.
Solche Ausrichtungsprobleme treten immer dann auf, wenn wir ein Modell erstellen, innerhalb dessen die KI sich korrekt verhält, ohne aber zu bedenken, dass dieses Modellszenario nicht identisch mit der praktischen Anwendung ist.
Zum Beispiel wäre es möglich, dass man ein selbstfahrendes Auto trainiert, in dem es viele Teststrecken fährt. Da sich die Firma im ländlichen Bereich der USA befindet, sind alle diese Teststrecken umgeben von Feldern. Die KI wird so optimiert, dass sie auf diesen Teststrecken auf der Straße bleibt, lernt aber “nur“, dass sie rechts nicht über das Grass und links nicht über den Mittelstreifen fahren darf.
Dann wird das Auto an einen Fahrer in Alaska verkauft, und crasht innerhalb von wenigen Minuten in der ersten Linkskurve.
Pythia selber repräsentiert einen wichtigen Subtypen von solchen Ausrichtungsproblemen, das sogenannte “innere Ausrichtungsproblem“.
Ein inneres Ausrichtungsproblem liegt immer dann vor, wenn ein Konflikt zwischen den expliziten Zielen der KI (gelöste Probleme) und den impliziten, emergenten Zielen der KI besteht. (Knopfdrücke). Solche Probleme entstehen, wie in dem Autounfallbeispiel, wenn die impliziten und expliziten Ziele zwar bei den Trainingsdaten übereinstimmen, sodass sich das Programm nicht von einem Programm, dessen inneres Ziel das gewünschte ist, unterscheiden lässt, aber bei anderen Daten voneinander abweichen.
Warum aber nun diese Ausführung?
Weil auch Menschen ein solcher Bestärktes Lernen Algorithmus sind. Das ist Dawkins primäre Erkentnis in “das egoistische Gen“. Die korrekte Perspektive in der Evolutionstheorie ist nicht die aus Sicht des Organismus selber, wie ich schon anhand von eusozialen Organismen erläutert habe, sondern die Perspektive des Gens, dass sich fortpflanzen möchte.
Heute sind in Amerika, dem reichsten Land der Welt, zwei Drittel der Menschen übergewichtig, und 36% der erwachsenen sogar schwer übergewichtig. Das sind keine trivialen Zahlen, und, umgerechnet in das Gesundheitssystem, sind es Milliarden von Dollars jedes Jahr.
Man mag nun von dem amerikanischen Bildungssystem halten, was man möchte, aber ich denke nicht, dass es wirklich ein Wissens-Problem ist. Als ich im Rahmen eines Austausches in den USA war, habe ich öfter Buchläden und Bibliotheken besucht. Eine Sache, die mich damals immer wieder faszinierte, ist, wie viel Platz in diesen Läden von Selbsthilfe und Gesundheitsratgebern eingenommen wird.
Und ich habe mich jedes Mal gewundert, wer denn bitte all diese Bücher kauft. Wo verstecken sich all die fitten griechischen Halbgötter, und warum sehe ich, wenn ich durch die Straßen laufe, nur Land-Seekühe?
Offensichtlich ist das Übergewichtsproblem in den USA (und bei uns, werdet bloß nicht zu selbstgefällig!) kein Informationsproblem, und es wird auch nicht durch mehr Bücher gelöst werden.
Es mag sein, dass vegane Ernährung etwas gesünder ist, als eine Keto Diät. Vielleicht ist auch das Gegenteil der Fall. Ist es besser, Ausdauersport zu betreiben, oder sollte der Fokus auf dem Muskelaufbau liegen?
All diese Detailfragen spielen, zumindest bei der Diskussion des Übergewicht-Problems, überhaupt keine Rolle. Es ist egal, ob Keto minimal gesünder ist, als eine vegane Ernährung. Wichtig ist, dass beide unendlich viel gesünder sind, als eine Ernährung aus Fast Food, Cola und ein Lebensstil ohne Bewegung außerhalb des täglichen Weges zum Klo (Homeoffice sei Dank, und nein, E-Sport zählt nicht!).
Die Menschen sind dick, weil unsere inneren Ziele und unsere äußeren Ziele voneinander abweichen. Auch wir funktionieren, wie ein Optimierungsalgorithmus, mit einer Zwischenebene.
Mensch → Serotonin/ Dopamin → evolutionäre Fitness
So wie bei dem selbstfahrenden Auto, dass zwar in Grasslandschaften sicher fahren kann, aber bei einer anderen Landschaft sofort crasht, optimieren auch wir nicht direkt für evolutionäre Fitness, sondern indem wir versuchen, bestimmte Hormone zu maximieren (Serotonin und Dopamin), und gleichzeitig versuchen, Schmerz zu vermeiden.
Waterboarding ist ungefährlich, und ohne langfristige Konsequenzen für die evolutionäre Fitness des Organismus, und trotzdem eine Foltermethode. Und das auch dann noch, wenn wir WISSEN, dass Waterboarding ungefährlich ist.
Eben weil wir nicht wirklich für evolutionäre Fitness optimieren, sondern für ein sekundäres Ziel, dass in unserer “Trainingsumgebung“, also unserer evolutionären Umgebung, an die wir angepasst sind, gute Ergebnisse liefert.
Menschen existieren seit ca. 300.000 Jahren, Landwirtschaft existiert seit ca. 12.000 Jahren, und die industrielle Gesellschaft seit etwa 250 Jahren. Online Pornografie und Fast Food existieren <50 Jahre. Und die Evolution wirkt, verglichen mit der Entwicklung unserer Technologie, mit der Geschwindigkeit einer Schnecke.
Die Menschen verhalten sich absolut richtig. Die Evolution hat uns ein Verlangen nach Zucker eingepflanzt, weil unsere Vorfahren öfter überlebt haben, wenn sie viel Zucker gegessen haben, weil sie in einer kalorienarmen Umgebung aufgewachsen sind.
Aber wir befinden uns nun in einer neuen Umgebung, und deswegen schlagen diese Instinkte fehl. Wir können zwar rational verstehen, woher die alten Instinkte kommen, und warum sie heute problematisch sind, bzw. wir können abstrahieren, welche “Ziele” (die Evolution verfolgt natürlich keine Ziele, es ist nur ein Bild zur Veranschaulichung) die Evolution mit diesen Instinkten verfolgt hat, aber fühlen eben immer noch die alten Instinkte.
In einer “gesunden“ Umgebung, der Umgebung, an die wir angepasst sind, gibt es keine Diäten, eben, weil kein Konflikt zwischen inneren und äußeren Zielen besteht.
Im Folgenden werde ich Instinkte, die in einer modernen Umgebung der evolutionären Fitness eines Organismus schaden, als “degeneriert“ bezeichnen.
Da es unwahrscheinlich erscheint, dass die Menschheit in nächster Zeit aufhört, Technologie zu entwickeln, ist es wichtig, herauszustellen, dass sich solche Anpassungsprobleme IMMER entwickeln, und sich auch zwangsläufig entwickeln müssen, wenn sich die Umgebung (zum Beispiel durch die Entwicklung von Technologie) schneller entwickelt, als sich die Organismen in der Umgebung durch genetische Evolution anpassen können.
Wenn ein Algorithmus in einer gewissen Testumgebung geprüft wird, dann KÖNNEN keine Unterschiede zwischen Algorithmen, die in dieser Testumgebung die gleichen Ergebnisse liefern, gefunden werden.
Ob ein solcher Algorithmus auch in anderen Testumgebungen korrekte Ergebnisse liefern würde, ist für diesen Selektionsprozess egal, da es nicht überprüft werden kann.
Da die Menge der Algorithmen, die in der Testumgebung die korrekten Ergebnisse liefern, aber in anderen Testumgebungen nicht, also an ein sekundäres Ziel angepasst sind, anstatt an die Ziele der Menschen angepasst zu sein, deutlich größer ist, als die Menge der Algorithmen, die in ALLEN Testumgebungen das korrekte Ergebnis liefern, ist es einfach eine Frage der Entropie.
Jede Information, nach der nicht aktiv selektiert wird, geht in einem evolutionären Prozess zwangsläufig verloren.
Stellen sie sich einen mathematischen Fit vor. Es gibt viele Funktionen, die lokal nicht von der gesuchten Funktion unterscheidbar sind, aber es gibt nur eine, die global das korrekte Ergebnis liefert.
Lineare, quadratische, kubische usw. Funktionen sehen, wenn man sich nur auf ausreichend kleine Bildausschnitte beschränkt, gleich aus, verhalten sich aber offensichtlich global sehr unterschiedlich.
Dabei ist es egal, ob wir Technologie entwickeln wollen, oder nicht.
Jared Diamond sagt zur Entwicklung der Landwirtschaft:
The worst mistake in the history of the human race, […] with agriculture came the gross social and sexual inequality, the disease and despotism, that curse our existence."
Ich denke, gerade mit Blick auf Ausrichtungsprobleme kann argumentiert werden, dass Menschen, die wie unsere frühen Vorfahren leben, allgemein glücklicher sind/ waren, als Menschen mit einem modernen Lebensstil.
Ein weiterer Indikator ist, wie Sebastian Junger in “Tribe“ beschreibt, dass im Konflikt mit primitiveren Gesellschaften, wie etwa zwischen den Indianern und europäischen Siedlern in den USA, überraschend häufig Mitglieder der technologisch überlegenen Gesellschaft zu der primitiven Gesellschaft übergelaufen sind, während der umgekehrte Fall deutlich seltener ist.
Aber wo sind die Indianer heute? So schlecht Technologie auch für das Leben eines Individuums in der technologischen Gesellschaft sein mag, ist es doch noch schlimmer, wenn nur die eigenen Feinde diese Technologie besitzen.
Als wir vom Jagen und Sammeln zur Landwirtschaft übergingen, ist die Lebenserwartung gesunken, Mangelernährung häufiger geworden (dadurch sank sogar die Durchschnittsgröße um ca. 15 cm), viele zoonotischen Krankheiten, die eine hohe Bevölkerungsdichte und das enge Zusammenleben mit Tieren zum Überleben brauchen, sind entstanden…
Aber da pro Quadratkilometer mehr Menschen ernährt werden konnten, war der Sieg der Landwirtschaft dennoch vorherbestimmt. Fünf kränkliche Farmer besiegen immer einen gesunden Jäger.
So wie auch die genetische Evolution nach evolutionärer Fitness, und nicht Glücklichsein für das Individuum selektiert, selektiert auch die memetische Evolution nicht nach Gesundheit oder Glücklichsein der Menschen.
Die einzige Frage, die man sich als Jäger und Sammler, wie auch heute, stellen kann, ist “Will ich ein Farmer sein, oder jemand, der von anderen Farmern beherrscht wird“.
Kapitel 6: Die Moderne und der ideale Mann
So wie der Instinkt, Zucker zu essen, in der heutigen Welt nicht mehr seinen originalen Zweck erfüllt, bzw. der evolutionären Fitness von Menschen schadet, erfüllen auch viele moralischen Instinkte nicht mehr ihre ursprüngliche Funktion.
Warum aber sollten auch moralische Instinkte degeneriert sein, also in einer modernen Umgebung die evolutionäre Fitness senken? Unsere Umgebung entspricht in vielen Aspekten nicht mehr einem natürlichen Umfeld. Ein Beispiel für eine solche Veränderung ist die durchschnittliche genetische Nähe zu anderen “Stammesmitgliedern“. Während es in einem evolutionär natürlichen Umfeld “logisch“ ist, sich für den Stamm zu opfern, ist dies, aus der Sicht eines einzelnen Gens, in der Moderne nicht mehr gegeben.
Es ist in den meisten Kriegen unwahrscheinlich, dass ganze Bevölkerungsgruppen ausgelöscht werden, in der Regel treffen solche Szenarien primär die Oberschicht eines Landes, bzw. die herrschende Klasse, wohingegen Bauern, die auch für die neuen Herrscher zur Beschaffung von Nahrung und anderen Ressourcen notwendig sind, weniger betroffen sind.
Aus diesem Grund war die herrschende Klasse historisch in der Regel die Kriegerkaste, Gesellschaften, die von Händlern oder Priestern dominiert wurden, sind seltener. Da Kriege in komplexen Gesellschaften nicht länger im genetischen Interesse eines durchschnittlichen Mitglieds einer solchen Gesellschaft sind, ist für deren Stabilität die Existenz einer zweiten vererbaren Einheit, dem meme, notwendig.
Über die genetische Vererbung in modernen Gesellschaften schreibt Nick Land:
At the demographic level, modernity selects systematically against modern populations, the people it prefers, it consumes. Without gross exaggeration, this endogenous tendency can be seen as an existential risk to the modern world. It threatens to bring the entire global order crashing down around it
Zivilisationen sind Städte. Und Städte sind Moloch. Wie ein Dämon ernähren sie sich von den Kindern der umgebenden Dörfer, die, in der Hoffnung auf ein besseres Leben, in die Stadt kommen, dort zu Städtern werden, und kinderlos bleiben.
Städte sind IQ Shredder. Denn nicht in allen Gesellschaftsschichten wird die Fertilitätsrate gleich stark gedrückt. Gerade die Menschen, die Berufe wählen, die für moderne Gesellschaften besonders wichtig sind.
Für die folgende Grafik ist wichtig zu verstehen, dass natürlich deutlich mehr Menschen 50.000-150.000$ verdienen, als 150.000$-1.000.000$.
Zwar ist es richtig, dass auch sehr reiche Menschen überdurchschnittlich viele Kinder bekommen, aber die Gruppe, die aus Gen-Sicht am besten an die Moderne angepasst sind, ist die Unterschicht.
Gerade in Ländern mit starken Sozialsystemen ist ein geringer IQ eine gute adaptive Strategie an die Moderne. Zwar beneide ich niemanden um dessen Armut (jeder Reiche hätte, ala Fargo, die Option, mehr zu geben und arm zu werden, wohingegen Arme nicht immer die Option haben, derartig einfach reich zu werden. Dass diese Wahl von NIEMANDEM getroffen wird, zeigt wieder den Konflikt zwischen inneren und äußeren Zielen), aber evolutionär ist es eine effektive Strategie.
Der ideale Mann der Moderne ist zwar hübsch (genug), aber zu dumm, um ein Kondom korrekt anzuziehen, und wenn nicht, dann zumindest zu impulsiv.
Sollten Sie selber nicht in diese Kategorie fallen, und nicht die Lust verspüren, absichtlich in die Armut abzurutschen, so empfehle ich zumindest, “Serial-Sperm-Donor“ zu werden. Gerade weil dies einer der wenigen Wege ist, die Anzahl der Nachkommen zu maximieren, bei denen “positive“ (aus Sicht des Individuums, nicht des Gens) Eigenschaften wie Intelligenz von Vorteil sind, und der nicht mit großen Kosten bzw. Opfern für das Individuum verbunden ist.
Kapitel 7: Ethik vs. Moral
Ich definiere Moral als “alle Instinkte, welche eine soziale Komponente besitzen, das heißt direkt den Umgang mit anderen Organismen betreffen“.
Ethik ist für mich hingegen die in einer industriellen Gesellschaft notwendige Verallgemeinerung von moralischen Instinkten.
Moral, das ist immer ein Gefühl, wohingegen feste Strukturen wie Utilitarismus, das Denken in kategorischen Imperativen, sowie sämtliche andere ethische Systeme in die Kategorie “Ethik“ fallen. Wenn etwas logisch hergeleitet wird, ist es Ethik, wenn es instinktiv gefühlt wird, dann ist es Moral.
In einer natürlichen Umgebung kein Bedarf für Ethik, so wie es auch keinen Bedarf für Diäten gibt. Alle Moral ist instinktiv. Ethik ist immer eine Frage der Zivilisation.
Wieso verwende ich diese Begriffe in dieser Weise?
Fragen Sie sich, warum die Utilitaristen das größte Glück für die größte Zahl fordern, und nicht das größte Leid, oder warum Kant nicht möchte, dass ihr nach denjenigen Maximen handelt, von denen ihr nicht möchtet, dass sie allgemeines Gesetz werden.
Ich werde an dieser Stelle nicht auf Kants tatsächliche “Herleitung“ seines ethischen Systems eingehen. Ich lehne seinen Vernunftbegriff ab, aber dazu an anderer Stelle mehr.
Wichtig ist, dass man versteht, dass letztendlich all diese Systeme nichts anderes sind, als ein mathematischer fit, wie oben beschrieben.
Wir haben gewissen moralische Intuitionen, und suchen eine Systematisierung, sodass wir diese moralischen Instinkte, die in bestimmten modernen Situationen degeneriert sind, oder kein Ergebnis liefern, auf Fragestellungen anwenden können, die in einer natürlichen Umgebung nicht vorkommen würden.
Interessant ist, dass alle ethischen Systeme gewisse Grundannahmen teilen, und sich vor allem in den jeweiligen Randbedingungen unterscheiden. Wir werden memetische Evolution und Religion im nächsten Kapitel ausführlich besprechen, aber es ist wichtig zu erkennen, dass selbst Religionen ohne gemeinsamen Ursprung viele Regeln gemeinsam haben. Zum Beispiel wird das Töten von Gruppenmitgliedern universell als negativ angesehen (auch Menschenopfer ändern an dieser Regel nichts. Man opfert Dinge gerade deswegen, weil sie wertvoll sind, und diese Tat damit Schwere besitzt)
Auch ein Utilitarist und ein Anhänger Kants (oder eines beliebigen anderen ethischen Systems) sind sich in dem meisten Fragen einig. Es ist ein wenig, wie mit den Diäten. Es ist egal, ob nun vegane oder Keto Diäten gesünder sind, beide sind besser als Fast Food.
Weder der Utilitarist, noch der der Anhänger von deontologischer Ethik wird grundlos Menschen töten. Damit Unterschiede in der Ethik der beiden Systeme erkennbar sind, müssen wir den bereich der instinktiven Moral verlassen, und komplexe Beispiele konstruieren.
“Was machst du, wenn du in deinem Haus Juden versteckst, und die Gestapo an deiner Tür klopft? Ist Lügen unter solchen Umständen erlaubt?“
oder
“Ein Mann, ohne Freunde und Familie, ungeliebt von allen, ist krank. Du könntest ihn heilen, oder aber du verabreichst ein nicht nachweisbares Gift, es wird also keine gesellschaftlichen Konsequenzen haben, und entfernst seine Leber, Nieren usw. und rettest damit mindestens ein Dutzend ansonsten verlorener Leben. Ist Mord unter diesen Umständen erlaubt?“
Und natürlich gibt es auch hier wieder clevere Ideen, um das ethische System noch besser an die moralischen Bedenken, die immer noch bleiben, anzupassen. Präferenz Utilitarismus verneint zum Beispiel die zweite Frage, die ich offensichtlich deswegen gewählt habe, da sie einen Bereich betrifft, in dem unsere moralischen Instinkte den utilitaristischen ethischen Prinzipien widersprechen.
Derartige fits sind deswegen interessant, weil es kein “richtiges“ Ergebnis an den Rändern gibt. Moral ist universell und genetisch, aber ethische Fragen betreffen Situationen, für die unsere Moral entweder nicht vorgesehen ist, in diesem Fall muss sie also als degeneriert angesehen werden, oder schlicht keine Antwort liefert.
Sollten künstliche Intelligenzen Menschenrechte bekommen? Was ist mit Eugenik? Wenn man verhindern kann, dass ein Kind beindert zur Welt kommt, sollte man es tun? Wenn wir bereit sind, diesen Schritt zu gehen, sollten wir dann stärker eingreifen?
Diese Fragen sind gerade deswegen interessant, weil es, wenn sie einmal gestellt wurden, kein zurück mehr gibt.
Sobald die Möglichkeit besteht, Kinder genetisch und sicher zu verändern, muss diese Frage, praktisch, beantwortet werden. Vor dieser Möglichkeit war “nichts tun“ keine eigene Entscheidung. Nach dieser Möglichkeit, sind beide Wege, Eugenik und keine Eugenik, selbstbestimmt und damit in der eigenen Verantwortung.
Kapitel 8: Kultur und Moral
Ich habe in Kapitel 2 beschrieben, dass die Prävalenz von antisozialem Verhalten mit der Gruppengröße steigt, weil die genetische Nähe zu den restlichen Mitgliedern der Gruppe sinkt. Damit hat das Individuum, aus Sicht der eigenen egoistischen Gene, weniger Interesse am Fortbestand der Gruppe und der anderen Mitglieder im Allgemeinen.
Insbesondere weil Eroberungen historisch vor allem das Leben der herrschenden Klasse, nicht aber das Leben der Mehrheit, am meisten beeinflusst hat (siehe Kapitel 6).
Gleichzeitig werden Mechanismen, um prosoziales Verhalten zu erzwingen proportional zur Gruppengröße schwächer. Innerhalb einer kleinen Gruppe, die Dunbars Zahl nicht überschreitet, kann man leicht nachvollziehen, wer sich mit wem versteht, wer andere anlügt, betrügt, nicht teilt usw.
Und dies auch dann, wenn die Individuen innerhalb dieser Gruppe selber kaum Gene teilen (wie etwa in Yellowjackets/ Der Herr der Fliegen).
Dies ist bei Gruppen mit Teilweise Millionen von Mitgliedern offensichtlich nicht möglich. Zwar wachsen Staaten natürlich mit der verfügbaren Technologie, die das Erkennen von antisozialem Verhalten einfacher macht, und damit größere Bevölkerungen ermöglicht (Fingerabdrücke & Überwachungskameras zum Beispiel).
Dennoch gab es natürlich auch in früheren Gesellschaften, wie etwa dem römischen Reich, Gesellschaften mit vielen Mitgliedern. Im römischen Reich lebten 117 nach Christus etwa 50 bis 90 Millionen Menschen.
Natürlich ist da klar, dass es für die Verwaltung absolut unmöglich war, einen Betrüger oder Dieb zu erwischen, der von Stadt zu Stadt zieht, bevor sein Ruf zu schlecht werden kann, und er soziale Konsequenzen befürchten muss.
Wie also kann eine derartig komplexe Zivilisation stabil sein?
So wie Moral Verhaltensweisen einschränkt, die zwar für das Individuum selber vorteilhaft sind, aber aus der Sicht der eigenen “egoistischen Gene“ schädlich sind, grenzt Ethik Verhaltensweisen ein, die zwar einzelnen Teilgruppen helfen, aber der Gesamtgesellschaft und deren “Memes“ als träger von kulturellen Informationen schadet.
Mit steigender Komplexität von gemeinsamen Gruppen wechselt also der primäre Träger von Informationen, die vererbt werden, vom Gen zum Mem. Meme benutzen parasitär Gene als Träger, um sich selber fortzupflanzen.
Ist es aus genetischer Sicht sinnvoll, sich dem römischen Heer zu verpflichten, und dann am anderen Ende der Welt zu sterben, gegen Menschen, die, aufgrund ihrer physischen Entfernung, keine Bedrohung für das eigene Leben und die eigene Familie wäre?
Natürlich ist es nicht sinnvoll, aus der Sicht eines Gens, sich für ein Kolleltiv zu opfern, zu dem man selber kaum genetische Nähe hat. Dies begrenzt die Gruppengröße für Staaten, deren Loyalität primär auf genetischer, nicht memetischer Nähe aufbaut.
Durch effektive Meme, wie etwa die Idee, dass man durch ein Opfer für das Kollektiv im Jenseits belohnt werden würde, wird prosoziales Verhalten gefördert. So kann ein metastabiles Gleichgewicht erhalten werden, in dem sich Mitglieder des Kollektivs für Fremde opfern, und gleichzeitig ähnliche Opfer von diesen erwarten können. Dadurch steigt die Wehrhaftigkeit der Gruppe und sie kann weit über die eigentlichen genetischen Grenzen einer Gruppe hinauswachsen.
Meme sind immer parasitär, sie nutzen Gene, um sich mit Hilfe von Menschen fortzupflanzen. Manchmal ist dies im Interesse des Menschen…
… und häufig auch nicht. Es gab historisch sicher viele “Private Ryan“ Familien, die all ihre Söhne in einem fremden Land verloren haben. Aber so, wie ich bereits bei der Technologie erklärt habe, ist es egal, ob ein bestimmtes meme positiv oder negativ für das Individuum ist. Da meme Struktur ermöglichen, die Gruppen ohne effektive meme nicht reproduzieren können, gewinnen Gruppen mit effektiven Memen immer gegen Gruppen ohne diese und setzen die eigenen Ideen durch.
Damit hat sich der primäre Replikator von Genen zu Memen gewandelt.
Und laut Susan Blackmore, sollte Technologie,als sogenannte Teme selber bereits als der dritte Replikator angesehen werden, der wiederum ein parasitäres Verhältnis zu Memen aufbaut. Wir sind damit nicht mehr als ein Zwischenwirt im Reproduktionszyklus für ein technologisches System, dass selber bereits ein Eigenleben entwickelt hat.
Kapitel 9: Tradition und Vererbung
"Tradition means giving a vote to most obscure of all classes, our ancestors. It is the democracy of the dead"
Eine interessante Asymmetrie zwischen den politischen Lagern ist jene zwischen implizitem und expliziten Wissen. Explizites Wissen ist all jenes, welches logisch hergeleitet und “verstanden“ wurde. Ich weiß, zumindest nach einer kurzen Google Suche, dass der Mond 384.400 km von der Erde entfernt ist.
Implizites Wissen hingegen sind kulturelle Meme, die die Zeit überdauert haben. Mit anderen Worten “evolutionäres Wissen“.
Die meisten Konflikte zwischen Rechten und Linken lassen sich auf eine relativ simple Formel runterbrechen. Rechte verteidigen traditionelle Strukturen (conservare = erhalten), wohingegen Linke sie als restriktiv wahrnehmen, und versuchen, sie aufzulösen.
Gut, wir hatten schon immer Grenzen, aber WARUM willst du nicht, dass Millionen von Mexikanern in deinem Land leben? Was für einen Unterschied macht es denn, wo sich ein Mensch “ausscheißen“ lässt?
Du bist stolz, Deutscher zu sein?
Teuflische Leistung, das leuchtet mir ein
Mann, genial, du hast dich hier ausscheißen lassen
Saugeil du Lappen, das wird kaum einer schaffen
Das interessante hieran ist, dass Konservative nun mit expliziten Methoden Wissen verteidigen, dass eigentlich implizit ist.
Ich habe mir früher öfter Ben Shapiro Debatten angesehen. Und auch wenn er rhetorisch natürlich brilliant ist, kam es mir immer wie ein billiger Trick vor, wie vorgeschobene Argumente. Du bist gegen Sex vor der Ehe, weil irgendwelche Statistiken beweisen, dass Frauen, die vorehelichen Sex haben, sich öfter scheiden lassen? Ist das der Grund? Wirklich?
Nein, jeder weiß, dass Ben auch gegen vorehelichen Sex wäre, wenn Studien exakt das Gegenteil beweisen würden. Eben, weil seine Religion es ihm vorschreibt.
Jemand, der kein talentierter Rhetoriker wie Ben ist, oder jemand, ehrlich genug, über die Gründe hinter seinen Überzeugungen nachzudenken, könnte in einer Debatte mit einem Linken nicht begründen, warum er z.B. gegen die Homoehe ist. Aber was bedeutet das schon. Natürlich kann ein Linker, dessen Weltbild fundamental auf explizitem Wissen aufbaut, explizite Gründe für seine Ansichten geben. Und natürlich kann es ein Rechter, dessen Welbild fundamental implizit ist, nicht. Aber er hat die Geschichte auf seiner Seite.
So wie die meisten Mutationen in einem Organismus keine Superkräfte verleihen, sondern Krebs auslösen, lösen die meisten memetischen Mutationen memetischen Krebs aus.
“Don't ever take a fence down until you know the reason it was put up.”
Natürlich denken Linke, zu jeder Zeit, dass diese Regeln nur in der Vergangenheit gelten würden, nicht aber zu ihrer Zeit. Ja, für die Menschen in der Vergangenheit war solches evolutionäres Wissen sicher nützlich, aber heute? Wir wissen doch, WARUM diese Traditionen sich entwickelt haben.
Juden und Muslime essen nicht deswegen kein Schweinefleisch, weil Gott es ihnen verboten hat, sondern weil Trichinellose in warmen Regionen durch schlecht gekochtes Fleisch übertragen werden kann.
Aber heute, durch den technischen Fortschritt, werden solche Regeln überflüssig. Schließlich ist schlecht gekochtes Fleisch heute, mit Elektrizität, kein Problem mehr.
Ist es also wirklich ein Problem, wenn wir alte Regeln aufbrechen? Werden nicht mehr und mehr Regeln überflüssig, und können wir nicht mit unserem expliziten Wissen unterscheiden, welche Regeln behalten werden sollten, und welche nicht?
Das Problem mit dieser Logik ist, dass man natürlich nicht wissen kann, was man nicht weiß. Es stimmt, dass vollständiges explizites Wissen implizitem Wissen überlegen ist. Jeglicher technischer Fortschritt ist eine Konsequenz von explizitem Wissen. Aber nichts ist gefährlicher als unvollständiges implizites Wissen.
Alle Beispiele von implizitem Wissen, die ich geben kann, werden natürlich explizit verstanden. Eben, weil man nur dann nachvollziehen kann, warum diese Tradition sinnvoll ist, und das sie ihre Berechtigung hat. Aber nur weil man eine Tradition nicht versteht, heißt das nicht, dass sie unberechtigt ist. Wir mögen jetzt wissen, was Bandwürmer sind, aber hätte ein atheistischer Wissenschaftler vor 200 Jahren die selbe Debatte über Schweinefleisch mit dem damaligen Äquivalent von Ben Shapiro geführt, was hätte er denn dann gesagt? Er hätte gesagt, dass er nicht dummem Aberglauben folgt, hätte Schweinefleisch gegessen, und wäre im schlimmsten Fall krank geworden.
In unserer Gesellschaft gibt es massive Veränderungen, auf Zeitskalen, in denen wir die Auswirkungen dieser Entwicklungen unmöglich verstehen können, und mit Entwicklungen, die, wenn die Katze einmal aus dem Sack ist, vermutlich nicht mehr zurückgenommen werden können.
Von der Pille, hin zu Onlinepornographie (Ich schrieb bereits über supernormale Stimuli), bis zu massiver Einwanderung ohne gleichzeitige Pläne, diese Einwanderer zu assimilieren.
Dekadenz ist, zu denken, ein Zustand würde, ohne das eigene Zutun, ewig anhalten. Der Lottogewinner, der all sein Geld verprasst, um dann zu seinem Arbeitgeber zurückgekrochen zu kommen, nachdem das Geld verbraucht ist, war dekadenkt. Und so sind auch wir es. Wir verspielen hunderte Jahre technologischen Vorsprung, auf Grund der vagen Idee im Hinterkopf, dass das BIP von China oder die militärische Aufrüstung Russlands egal sei, dass Europa immer eine wichtige Rolle in der Welt spielen würde.
Wenn man auf die jetzige Gesellschaft schaut, auf die Geburtenraten, die Innovationsrate, den Zustand unseres Militärs, die Zahl der Firmenneugründungen, dann haben wir schon jetzt nicht nur Krebs, er hat bereits metastasiert.
Leider bleibt es die Rolle des Rechten, “ich habe es dir doch gesagt“ in den Abgrund zu schreien.
Wer über implizites Wissen diskutiert, als sei es explizites Wissen, der hat bereits verloren. Es ist egal, ob eine Religion widersprüchlich ist, oder nicht. Es ist egal, ob Jesus real existiert hat, oder nicht. Es ist egal, ob weitere Evangelien aus der Bibel gestrichen wurden, oder ob das originale Christentum gnostisch war.
Das einzige, was wichtig ist, ist, dass Gruppen, die christlich waren, sich gegen Gruppen durchgesetzt haben, die es nicht waren. Das diese Ideen über hunderte Jahre für stabile Gesellschaften gesorgt haben, anders als jegliche linke Ideen.
Religionen sind Meme, die der Gruppe helfen, zu überleben. Und wenn eine Gesellschaft *tips hat* auf Grund der “Widersprüche“ aufhört zu glauben, dann folgt kein goldenes Zeitalter der Wissenschaft, nein, wahrscheinlich wird sie einfach sterben.
Fick dich du dummer hurensohn